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Hätten Sie mich vor einem Jahr gefragt, was ich von Online-Trainings halte – meine Antwort wäre verhalten kritisch ausgefallen. Dank Corona wurde auch ich in diesen digitalen Veränderungsprozess hineinkatapultiert. Und das ohne wenn und aber ...
Über Nacht kam die Anfrage, Vertriebsmitarbeiter via Zoom im Home Office zu trainieren. Ziel dieser Trainings sollte sein, dass die Mitarbeiter den Kundenkontakt nicht verlieren. Außerdem galt es, die Führungskräfte in ihrer virtuellen Kompetenz zu schulen, um Team-Meetings effizient moderieren und durchführen zu können.
Da stand ich nun als Trainerin. Total sicher im bislang gewohnten Setting. Fähig aus jedem Hotel-Tagungsraum einen Ort des Lernens und der Begegnung zu schaffen. Alles möglich. Aber virtuell ohne echte Präsenz? War das für mich von jetzt auf sofort überhaupt zu schaffen?
Da die ersten Gruppen bereits feststanden, musste schnell ein Konzept entwickelt werden. Das innerliche Gefühl war verhaltene Zuversicht und hoffnungsvolles Vertrauen in existierende Kompetenzen. Das lässt sich doch mit Sicherheit alles auf ein virtuelles Trainingskonzept übertragen. Dachte ich!
Der intensive Austausch mit den Trainerkollegen in diesem Projekt hat geholfen und ließ sogar so etwas wie eine pionierhafte Aufbruchsstimmung aufkommen. Zusammen mit anderen Trainern haben wir Tag und Nacht gearbeitet. Viele kreative Ideen und richtig gute Konzepte sind aus dieser intensiven Kooperation entstanden. Und schon fast so etwas wie Euphorie.
Dann der D-Day – die Durchführung der Trainings. Nach jedem Gong ein Teilnehmer mehr auf dem Bildschirm. Belangloser Small-Talk, der Bildschirm füllt sich mit Kacheln. Ich freue mich, dass sich alle zeigen und mir wird bewusst, dass diese Arbeit eine hohe Dichte hat und eine andere Konzentration von mir fordert. Das Ungewohnte strengt an.
Eine willkommene Abwechslung sind auch im virtuellen Raum Gruppenarbeiten in Break-Out-Sessions, der Methodenwechsel, wie z.B. die Nutzung eines Jam-Boards. Die Orchestrierung dieser Handgriffe, verbunden mit der Abhängigkeit von technischen Funktionalitäten waren für mich persönlich die größte Herausforderung. Zumal ich die meisten Funktionen erst einen Tag vorher gelernt oder entdeckt hatte.
In den Monaten März und April gab es auch bei ZOOM „über Nacht“ immer wieder Veränderungen. Gefühlt liefen im Hintergrund permanent technische Updates. Real verschwanden über Nacht Knöpfe aus der Menu-Leiste.
Ich begann, mich nach den Zeiten zu sehnen, in denen ich frei und ohne groß nachzudenken, ob ich den richtigen Link kopiert habe oder nicht, einfach auf eine Metaplanwand zugehen konnte. Puh, wie viel leichter ist es doch, Menschen anzuschauen und mit Ihnen zu sprechen, anstatt permanent in die Kamera zu sehen, um Blickkontakt zu halten, der nicht wirklich einer ist.
Dieser Anteil nostalgischer Verklärtheit löste sich aber auf. Virtuelle Formate haben ihre Vorteile und können wunderbar ergänzend genutzt werden.
Die Teilnehmer haben in Zeiten des Social Distancing den virtuellen Austausch mit den KollegInnen durchaus genossen. In kleinen Gruppen von 6 bis 8 Personen war die Freude über das Wiedersehen mehr als offensichtlich. Ich stelle mir vor, wie groß die Freude bei der nächsten echten Begegnung sein wird.
Mein persönliches Fazit: Keine Frage, die Veränderung hat uns alle kalt erwischt und weltweit dafür gesorgt, dass wir uns den neuen virtuellen Wegen des Austausches stellen. Sich vor der Kamera eines Bildschirms zu bewegen ist eine wichtige Zukunftskompetenz und nicht mehr wegzudenken.
Unternehmen sollten in jedem Fall die Möglichkeit nutzen, ihre Mitarbeiter für die Präsenz im virtuellen Raum auszubilden.
Was ein virtuelles Format nicht kann, ist eine Tiefe in der Lernerfahrung zu schaffen. Ein positives Berührtsein braucht mehr. Beides kann nur durch die Anwesenheit von anderen Menschen in einem realen Raum entstehen.
Was mich angeht, freue ich mich über diese intensive Lernerfahrung und die Möglichkeit, die virtuelle Übergangswelt als Ergänzung mit in meine professionelle Zukunft mitzunehmen. Die gesunde und sinnvolle Mischung aus beiden Welten wird wahrscheinlich die Zukunft sein.