Sokrates meets Hemingway - Sprache schafft Wirklichkeiten
Schon der alte Sokrates sagte „Sprich, damit ich dich sehe“, denn nichts ist so mächtig wie die Kraft des gesprochenen Wortes…
In diesem kurzen Artikel geht es darum, unsere Wahrnehmung für Sprache so zu schärfen, dass wir uns bewusst ausdrücken können. Wer mich kennt, weiß, dass ich seit vielen Jahren in Workshops und Coachings mit diesem Thema antrete.
Ziel meiner Arbeit und dieses kleinen Denkanstoßes ist es, Selbstwirksamkeit im Ausdruck spürbar zu steigern, so dass unser Gegenüber richtig neugierig auf uns und unsere Geschichte wird.
Der Wortschatz
Lasst mich dazu ein wenig ausholen: für eine knappe Alltagskommunikation in einem fremden Land reichen 1.000 Worte als Grundwortschatz - wir verwenden im Durchschnitt als Muttersprachler bis zu 16.000 Worte in unserem aktiven Wortschatz; die Worte, die wir verstehen, aber nicht so oft nutzen, belaufen sich auf zirka 50.000. Dazu gehören Ausdrücke wie „bilateral“, „Bruttosozialprodukt“ oder auch „Gitarrenhersteller“. Das sind Worte, die wir unserem passiven Wortschatz zuordnen dürfen.
Dabei hat die deutsche Sprache so viel für uns Sprechende im Angebot. Die Gesamtgröße des deutschen Wortschatzes wird auf circa 300 – 500.000 geschätzt, je nachdem, ob man „Gitarrenhersteller“ zusammen oder als einzelne Worte zählt. Es liegt auf der Hand, dass ein großer Wortschatz zu mehr Sprachmacht und Sprachwirkung verhilft und somit das rhetorische Potential des Sprechenden vervielfacht.
Ich bin der Überzeugung, dass man gar nicht oft genug daran arbeiten kann, präziser, differenzierter, überzeugender und gewinnender zu kommunizieren.
Sprache ist ein Instrument des Denkens
Sprache ist etwas sehr Individuelles und lässt sich nicht standardisieren. Jeder hat ein eigenes Verständnis von Sprache, und Worte haben je nach Persönlichkeit, Biografie und vielleicht auch Lebensphase unterschiedliche Bedeutungen. Manche Menschen finden das Wort „knackig“als Synonym für „schnell passend“, anderen sträuben sich ob der Wortwahl die Nackenhaare.
Mir als Trainern und Coach geht es nicht anders als Ihnen. Wir alle haben im Rahmen unserer Rolle bestimmte Botschaften zu vermitteln und glauben Sie mir, in der Kürze liegt oft wirklich die Würze.
Diese Fragen können helfen, sich im Vorfeld Klarheit zu verschaffen:
- Was genau habe ich zu sagen?
- Wie möchte ich wirken?
- Welches Ziel habe ich?
- Welche Spuren will ich hinterlassen?
- Nutze ich meine Sprache bewusst?
- Nutze ich Bildsprache?
Erzählt Geschichten! Warum Geschichten?
Weil eine Geschichte die Aufmerksamkeit und Konzentration des anderen gewinnt. Weil Geschichten seit Jahrtausenden komplexes Wissen weitergegeben haben und das in fast allen Kulturen… ach ja, und weil das Gehirn die Konstruktion „Gedächtnis“ über Assoziationen gebaut hat.
Nicht umsonst träumen wir auch in Bildern und nicht in Excel Tabellen.
Welche Geschichten könnten zu Deinem Thema passen? Eine Verhandlung über eine Gehaltserhöhung mit einer Geschichte aus der eigenen Familie zu beginnen ist sicherlich ungewöhnlich – zugegeben, nicht immer passend,aber im besten Fall originell.
Dort, wo wir bewusst inhaltliche Akzente setzen können, hängt es sehr stark von unserer Persönlichkeit und von dem Ziel unserer Kommunikation ab, was wir erzählen.
Meister des Weglassens
Hemingway zum Beispiel war ein Meister des Weglassens, der Reduktion. Er war für seine kurzen Sätze berühmt und er beherrschte eine rasante Satzmelodie, die andere in den Bann zog und zum Zuhören zwang. Eine Sprache, die chirurgisch präzise nie ins Lapidare abstürzte, weil sie eben durch diese Exaktheit Einprägsamkeit erzeugte ….
Worte tragen Gewicht und Stärke. Sie erzeugen Freude, Interesse, Langeweile und viele andere Stimmungen. Sie sind Zauber und Magie zugleich. Wenn wir unseren Wortschatz reflektieren und erweitern, erweitern wir automatisch auch unser Denkvermögen. Worte wollen gewählt sein, denn sie sind eigensinnig – im wörtlichen Sinn. Es braucht unsere bewusste Entscheidung, sich für das zu entscheiden, was gerade passt – zu uns, zur Situation und auch zum Thema.
Wenn wir flexibler denken und sprechen, werden wir auch beweglicher im Handeln. Das ist mal ein Automatismus der guten Sorte.
Mein Wunsch-Bild ist, dass jeder seine persönliche Sprachsignatur im Rahmen seiner Rolle um eine oder mehrere Varianten ergänzen kann.
3 x Tipps für den Alltag:
- In der Kürze liegt die Würze – für alle, die zu Schachtelsätzen neigen, denkt bitte daran: Jedes Komma möchte ein Punkt sein
- Den eigenen Wortschatz kann man erweitern, indem man Menschen nachspricht, denen man gerne zuhört (Moderatoren, Nachrichtensprecher, Journalisten etc.) Sobald ein Wort ausgesprochen ist, rückt es in den aktiven Wortschatz und gesellt sich zu den anderen.
- Wörter umschreiben, ohne sie zu nennen – wie z.B. Lavendelfeld, Bruttosozialprodukt etc.
Bleibt mir weiterhin wohl gesonnen,
Eure
Tia