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Es klingelt auf dem Festnetz (ja, ich habe noch ein Telefon mit Kabel) und es ist die 0800 … Nummer meines Anbieters.
Achtung, es droht ein Ver…
Es klingelt auf dem Festnetz (ja, ich habe noch ein Telefon mit Kabel) und es ist die 0800 … Nummer meines Anbieters.
Achtung, es droht ein Verkaufsgespräch! Ich gehe dran und ein vor Selbstbewusstsein strotzender junger Mann spricht meinen Namen zweimal falsch aus und gibt sich zu erkennen, wer er ist und warum er anruft.
Alles klar, ich bin nicht empfindlich was meinen Namen angeht und so steigen wir direkt ein. Er sagt mir, welchen Vertrag ich habe und dass er ein Top-Angebot für mich hätte. Ich könnte von 50 auf 100 MB wechseln und meine Leistung somit verdoppeln. Dann schmeißt er mit Beträgen und Laufzeiten um sich und ich bewundere seine Motivation, die mit einer bestimmten energetischen Qualität von „Hausfriedensbruch“ durch den Hörer schwallt.
Die Betonung lag wiederholt auf den 100 MB und wie groß doch meine Freude darüber sein muss und überhaupt, wie viele Leute wir doch im Haushalt seien und ob auch nicht alle in diesem Haushalt ein Recht auf diese Leistung und der damit verbundenen Freude hätten. Ich verstehe: 100 MB als neue Religion.
Den weiteren Verlauf des Gespräches gebe ich am besten in wörtlicher Rede wieder, weil alles andere zu sehr von mir eingefärbt wäre.
Machen sie sich selbst ein Bild:
Tia: Wenn ich Sie richtig verstehe, bieten Sie mir 100 MB und einen neuen Vertrag an?
Agent: Ja genau, so haben Sie 100 MB und können mehr nutzen…
Tia: Das verstehe ich. Aber ich brauche nicht mehr, mir reichen meine 50 MB.
Agent: Überlegen Sie mal…das ist das doppelte an Leistung und der Preis ist…(er rechnet vor)
Tia: Hm…also ich zahle für die Verdoppelung der Leistung ca. 10 Euro mehr im Monat – nach 6 Monaten Erstlaufzeit, versteht sich (Köder)
Agent: Genau, ist das interessant für Sie? (Abschlusstechnik, Ja oder Nein Frage)
Tia: Nein.
Agent: Warum nicht? (Abschlusstechnik: Warum Frage)
Tia: Weil ich keinen Bedarf habe. Warum soll ich mehr zahlen für eine Leistung, die ich nicht brauche. (Mein Bedarf passt nicht zum Produkt)
Agent: Das ist eine klare Antwort und damit kann ich leben.
Tia: Das freut mich.
Diese Konversation beinhaltet viele Stolperfallen zum Thema Verkauf. Auch wenn er an meinem Bedarf nicht interessiert war, habe ich diesen jungen Mann bewundert, mit welcher Energie er dieses Gespräch geführt hat. Das Problem ist nur - am Thema vorbei. Wenn seine Lösung zu keinem meiner Bedarfe passt, dann funktioniert es einfach nicht. Es folgen Einwände und dann kaufen sich Unternehmen Trainings zur Einwandbehandlung für teuer Geld ein. Dabei ist die gute Lösung doch kostenlos.
Das dominante Wesen des jungen Mannes wollte bis zum Schuss die Oberhand in dem Gespräch behalten und quittierte meine Absage mit wohlwollendem Verständnis (was ein Glück, konnte ich einen Beitrag für ein Leben im Einklang leisten).
Also, man bietet mir einen tollen Stützstrumpf an, obwohl ich mit Kniestrümpfen fein bin, und quittiert meine Entscheidung mit einer vermeintlich wohlwollenden Bestätigung. Im letzten Wort zeigt sich die Herablassung in einer Form, die den Nicht-Abschluss erträglicher für den gescheiterten macht. No Thanks!